Auch Turmfalken zieht es in die Stadt; sie nisten in Kirchtürmen und an hohen Gebäuden oder häufig in verlassenen Krähen- und Elsternestern. Brutkästen werden gern angenommen und sogar mit Eulen geteilt.
Dass die Turmfalken inzwischen aber sogar die Blumentröge der Balkonkästen als geeignete Brutplätze entdeckt haben, war den Esslinger Naturschützern neu. R. Lubrig hat seit April dieses Jahres ein Turmfalkenpaar als "Untermieter" im Balkonkasten seiner Esslinger Wohnung im 8. Stock. Das Paar zieht erfolgreich drei Junge auf, die vermutlich Ende Juni / Anfang Juli ihr ungewöhnliches Zuhause verlassen und ausfliegen werden. Nur zwei Hochhäuser weiter gibt es eine weitere Turmfalkenfamilie mit fünf Jungvögeln, die schon im Jahr vorher erfolgreich dort brüteten. R. Lubrig vermutet, dass einer der Partner seines "Untermieter"-Paars aus der vorjährigen Brut in der Nachbarschaft stammt. Turmfalken brüten bereits im zweiten Lebensjahr. Sie sind am Brutplatz erstaunlich tolerant und dulden benachbarte Horste in nur wenigen Metern Entfernung.
R. Lubrig hat die ungewöhnliche Kinderstube auf seinem Balkon in Fotos festgehalten, die er den Esslinger NABU-Mitarbeitern zur Verfügung gestellt hat und von denen hier einige gezeigt werden (ein großes Dankeschön an Herrn Lubrig!).
Unter "mumpfi2010" kann man in Youtube außerdem einige sehr gelungene Videofilme der Falkenfamilie ansehen.
19. April 2012: Das Turmfalken-Paar hat den Brutplatz im Blumenkasten in Besitz genommen. Das Männchen hält Wache und sieht vorsichtig um die Ecke, vom Weibchen ist nur der Schwanz zu sehen. Es macht sich bereit zum Eierlegen. Bevor die Falken den Balkonkasten in Besitz nahmen, hat R. Lubrig Erde entfernt und eine flache Kuhle ausgehoben, die sofort als Brutplatz angenommen wurde.
Ch. Reimers und G. Pfister vom NABU Esslingen statteten den Turmfalken einen Besuch ab und waren erstaunt, wie wenig Scheu vor Menschen selbst die Altvögel zeigen. R. Lubrig hat es durch langsame, vorsichtige Annäherung an den Brutplatz geschafft, dass die Vögel ihn nicht als Bedrohung wahrnehmen.
30. April 2012: Vier Eier liegen Balkonkasten. Eines ist unbefruchtet und wird vom Weibchen zerstört, drei Eier werden ausgebrütet.
Häufig beginnt das Weibchen nach Ablage des vorletzten Eis mit der Brut. In diesem Fall gibt es ein später geschlüpftes "Nesthäkchen", das etwas kleiner als seine Geschwister ist und beim Füttern oft das Nachsehen hat.
18. 05. 2012: Das Weibchen brütet. Während der Brutzeit schafft das Männchen die Nahrung für das Weibchen heran.
28.05.2012: Nach 28 Tagen ist es soweit: Auch der "Benjamin" ist geschlüpft; seine älteren zwei Geschwister sind bereits zwei Tage alt. Jetzt heißt es für Mutter Turmfalke: füttern, füttern, füttern!
Nach der Fütterung wird geschlafen. Die Jungen bilden dabei eine sogenannte "Wärmepyramide":
Sie kuscheln sich eng zusammen.
02.06.2012: Mutter bringt eine Maus.
03.06.2012: Mutter Turmfalke wärmt (hudert) ihre Jungen.
08.06.2012: Die Jungen sind ordentlich gewachsen. Hier hocken sie mit vollen Kröpfen satt und zufrieden unter dem Buchsbaum.
13.06.2012: Bei den Jungvögeln zeigen sich schon die dunklen Federkiele der Schwingen.
22.06.2012: Die grauweißen Dunen werden vom braun gestreiften Jugendkleid verdrängt.
26.06.2012: Die Jungen sind jetzt voll ausgefärbt.
30.06.2012: Die ersten beiden Jungfalken fliegen aus.
Das "Nesthäkchen" folgt den Geschwistern am 01.07.2012. Am nächsten Tag kommt es mit einer Maus zurück und verspeist sie. Danach fliegt es davon.
Normalerweise fliegen die jungen Turmfalken nach 28 bis 32 Tagen aus. Die "Untermieter" von Herrn Lubrig haben sich etwas mehr Zeit gelassen. Etwa 16 Tage lang versorgen die Eltern sie noch mit Nahrung. Dann sind sie auf sich selbst gestellt.
Während die nord- und osteuropäischen Turmfalken Zugvögel sind, entfernen sich unsere jungen Turmfalken in der Regel nicht allzu weit vom Geburtsort, teilweise weniger als 10 km. Erwachsene Turmfalken, vor allem die Männchen, bleiben häufig im Winter in ihrem Revier.